Jaeger-Münzen

Aus MGM Münzlexikon

Wer in Deutschland seit Jugendzeiten Münzen sammelt, hat gewiss zuerst aus irgendeiner Schublade Münzen des Deutschen Reiches gezogen: im günstigen Falle silberne 2-, 3-, und 5-Mark-Stücke in mehr oder weniger guter Erhaltung. All diese Münzen hat der Sammler und Numismatiker Kurt Jaeger (1909- 1975) in seinem Maßstäbe setzenden Werk „Die deutschen Münzen seit 1871“ (inzwischen in 26. Auflage 2019) katalogisiert (künftig J. + Nr.). Dort erfährt man auch Grundlegendes zur technischen Herstellung, zu Fragen von Echtheit und Manipulation von Münzen, zur Erhaltung und zu Prägezahlen, die ein Indiz für die relative Häufigkeit sind.


Kaiserreich

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Die Münzen des deutschen Kaiserreichs von 1873 bis 1918 sind heute noch sehr beliebt, weil sie mit ihren langen Präge- und Laufzeiten, vielen Jahrgängen und Münzzeichen, immer wieder veränderten Münztypen (z. B. 20-Pfennig-Stücken in Silber und Kupfer-Nickel, 50-Pfennig und 1⁄2-Mark-Stücken) ein reizvolles Sammelgebiet darstellen. Obwohl die neue Mark-Währung, die mit dem Wirrwarr voriger deutscher Währungen aufräumte, eine reine Gold-Währung war, wurden schöne silberne 2- und 5-Mark-Stücken mit den Portraits der Bundesfürsten aus 22 Fürstenstaaten und den Wappen der alten Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen geprägt. Ihr Nominalwert lag unter dem Silberwert, sie waren „Scheidemünzen“, die es erlauben, dass Käufer und Verkäufer von einander restlos „scheiden“ können. Bis 1908 liefen die alten Talermünzen (30 Taler auf ein Münzpfund (500 gr.) Feinsilber nach dem Wiener Münzvertrag von 1857) im Wert von 3 Mark um, ab diesem Jahr wurden eigene 3-Mark- Stücke geprägt, im Volksmund weiterhin „Taler“ genannt.

Regentenportraits und Jubelfeiern
Die Regentenportraits sind in ihrer großen Vielfalt Zeit- und Geschichtsdokumente erster Ordnung. Seit 1901 kamen auch besondere Gedenkmünzen hinzu; Anlass war die 200-Jahr-Feier der Erhebung Preußens zum Königreich. Regierungsjubiläen, Sterbefälle (Prinzregent Luitpold von Bayern kam als Verweser des Königreichs nur dadurch auf eine Münze), Hochzeiten, Universitäts- und sonstige Geschichtsjubiläen kamen danach auf klingendes Silber. Diese Sonderprägungen sind in der Regel überwiegend in sammlungswürdiger Erhaltung auf uns gekommen, da man sie beiseite gelegt hat, während die Umlaufmünzen abgenutzt wurden, deshalb in hoher Qualität sehr gesucht sind und entsprechend hohe Preise erzielen. Die Seltenheit der Kaiserzeit-Münzen ist ganz unterschiedlich. Da die Prägezahlen sich nach der Bevölkerungszahl richteten, gehört das 5-Mark-Stück des Miniatur- Fürstentums Waldeck-Pyrmont von 1903 (J. 171) zu den seltensten und teuersten bei einer Auflage von 2.000 Stück; das 3-Mark-Stück zur 100-Jahr-Feier der preußischen Befreiungskriege 1913 („Der König rief und alle alle kamen“, J. 110) ist hingegen mit 2.000.000 Exemplaren überaus häufig, wegen seines hohen, medaillenartigen Reliefs nicht umgelaufen und immer vorzüglich erhalten. Zu den Kuriositäten gehört das 3-Mark-Stück zum 25. Regierungsjubiläum von Wilhelm II. von Württemberg (J. 178). Wegen des damaligen Silbermarktes wurden 1916 zunächst nur 1000 Stück geprägt und eine Fortsetzung der Prägung nach dem Friedensschluss ins Auge gefasst. Daraus wurde bekanntlich nichts, und so kostet ein Stück heute viele tausend Euro. Noch viel spektakulärer ist „Jaeger 141“, das 3-Mark-Stück zum Reformationsjubiläum 1917. Es wurde mit dem Portrait des sächsischen Kurfürsten und Luther- Protektors Friedrichs des Weisen versehen, nach einem Schautaler von 1522, das auf ein Portraitbild des Lucas Cranach zurückgeht. Der im übrigen im Kaiserreich hochverehrte Reformator Martin Luther war als „Bürgerlicher“ nicht Gedenkmünzen-fähig. Statt der geplanten 330.000 Stück wurden wegen der Silberknappheit nur 100 Stück genehmigt, von denen 50 dem Vernehmen nach wieder eingeschmolzen wurden. Vor Nachprägungen und Fälschungen wird gewarnt!

Die wertige Welt des „Reichsgolds“
Die Goldmünzen des Kaiserreichs wurden zu 20 („Doppelkrone“) und 10 Mark („Krone“) zwischen 1871 und 1914 ausgegeben, noch bevor die ersten Silber- und Kleinmünzen geprägt wurden. Im Jahre 1873 wurde zusätzlich eine goldene 5-Mark-Münze eingeführt, die sich jedoch im Geldumlauf nicht bewährte und 1900 außer Kurs gesetzt wurde. So liegen die nur in den Jahren 1877 und 1878 in Baden (J. 185), Bayern (J. 195), Hamburg (J. 208), Hessen (J. 215, 218), Preußen (J. 244) und Sachsen (J. 260) geprägten goldenen Fünfer heute erheblich über dem Goldwert. Gold wurde damals jedoch nicht nur von den deutschen Bundesstaaten verprägt, vielmehr war es Privatpersonen gestattet, auf eigene Rechnung eingeliefertes Gold zu vermünzen. Wie gewaltig diese Privataufträge waren, die zumeist über die Reichsbank liefen und von der Berliner Münze abgewickelt wurden, möge eine Zahl zeigen: bis 1913 stammten fast 177 Mio. der fast 223 Mio. insgesamt ausgeprägten 20-Mark-Stücke aus solchen Privataufträgen. Solche Berliner Goldmünzen (Münzzeichen A) sind auch heute noch häufig im Edelmetallhandel zu finden, während die der kleineren Bundesfürsten zu den numismatischen Raritäten gehören und ein Vielfaches kosten. Doch wieviel ist von dieser goldenen Pracht heute noch da? Bereits in der Kaiserzeit wurde ein großer Teil der Münzen für den Schmuckbedarf verwendet, und es wurde angenommen, daß bereits vor dem Ersten Weltkrieg 20% eingeschmolzen wurden. In der Weimarer Republik galten die Goldmünzen des Kaiserreichs noch als Zahlungsmittel, doch wurden sie endgültig 1938 außer Kurs gesetzt und die Besitzer zur Ablieferung verpflichtet – ausgenommen die Münzen von numismatischem Interesse. Durch solcherlei Verwendungen und Abflüsse reduzierte sich die Menge noch mehr, „so daß heute kaum mehr als 40 bis 50% der ursprünglich geprägten Stücke vorhanden sein können“ (Jaeger/Kahnt).

Weimarer Republik
Erst nach der Hyperinflation von 1923 brachte die Weimarer Republik stabiles Münzgeld aus mit den Bezeichnungen „Reichsmark“ und „Reichspfennig“. Dies Münzen stellen ein begrenztes, doch reizvolles Sammelgebiet dar. Neben den silbernen 1- und 2-Reichsmark-Stücken wurden 3- und 5- Reichsmarkstücke geprägt, darunter neun Gedenkmünzen zu 5-Reichsmark (insgesamt 3.674.314 Stück) und 19 zu 3-Reichsmark (15.720.215). Die beiden letzteren Nominale wurden 1937 bzw. 1934 außer Kurs gesetzt; das Nazi-Regime kassierte damit auch einen großen Teil der numismatischen Weimarer Erinnerungskultur. Von den 5-Reichsmark-Stücken wurden bis auf 0,92% (1.409.335) alle eingelöst, von den 3-Reichsmark-Stücken blieben 2,65% übrig. Die Gedenkmünzen der Weimarer Republik sind daher relativ selten; das 5-Reichsmark-Gedenkstück auf Goethe von 1932 (J. 351), gestaltet von dem bedeutenden Jugendstil-Medailleur Rudolf Bosselt, ist sehr selten (ca. 20.000 Ex. aus sechs Münzstätten) und entsprechend teuer.

„Drittes Reich“
Das „Dritte Reich“ war Münzen und Medaillen nicht wohlgesonnen. Es gab bis 1945 nur wenige silberne Gedenkmünzen zu 2 und 5 Reichsmark. Sie wurden so zahlreich herausgebracht, dass sie als normale Umlaufmünzen gelten können: Luther 1933, die Potsdamer Garnisonskirche zur Reichstagseröffnung am 24. März 1933 (mit und ohne Datum) 1934/35, Schillers 175. Geburtstag 1934, Hindenburg (nach seinem Tod) 1935/36. Hindenburg, die Beziehungsstrippe zum territorial noch unversehrten Kaiserreich, ziert auch die Silbermünzen von 1936 an, als das Regime erstmals den Adler mit dem hakenkreuzgefüllten Eichenkranz in den Fängen auf die Reichsmünzen setzte. Nur kurios: alle Münzen warten mit der numismatisch ungebräuchlichen und unpraktischen Frakturschrift auf, die Hitler schließlich 1941 als „Schwabacher Judenlettern“ ablehnte. Mit dem Krieg wurden kriegswichtige Münzmetalle eingezogen, doch selbst die silbernen 2- und 5-Reichsmark-Stücke waren bis Dezember 1944 zu einem Viertel gegen mindere Münzen eingetauscht worden. Der 1941 geplante Ersatz durch Hitler-Portraitmünzen sollte bis zum Kriegsende zurückgestellt werden – den „Führer“ auf Münzen hat es deshalb nie gegeben.

Bundesrepublik Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland hat an die Erinnerungskultur der Weimarer Republik angeknüpft und im Laufe der Jahrzehnte eine ganze Reihe schöner Gedenkmünzen ausgegeben. Doch schon das 1952 ausgegebene silberne 5-DM-Stück als Kursmünze, von Albert Holl aus Schwäbisch Gmünd gestaltet, ist ein Meisterwerk der Münzgestaltung: Der Bundesadler ziert ohne Umschrift die Wappenseite; der Wert prangt groß und deutlich auf der Wertseite, Land, Währung und Jahr in zwei Schriftkreisen untergebracht. Es fiel leider 1974 der Silber-Hausse zum Opfer. Das Cu/Ni-2-DM-Stück von Josef Bernhart, der auch die ikonische 1 DM entworfen hat, wurde 1958 ersetzt durch 2-DM-Max Planck, dem sich drei weitere solcher Münzen mit Wissenschaftler-Portraits anschließen sollten. Später, 1969, hat man den Gedanken weitergeführt und die führenden Politiker der Bundesrepublik Deutschland abgebildet, wenn auch immer ohne Namensnennung. Bei der Euro-Einführung 2001 werden nur noch wenige alle Köpfe wiedererkannt haben. Prägend für alle Sammler waren jedoch die ersten vier zwischen 1952 und 1958 herausgekommenen Gedenkmünzen zu 5 DM: Germanisches Museum, Friedrich Schiller, Türkenlouis, Eichendorff, jeweils zu 200.000 Exemplaren geprägt. Sie brachten zwischendurch sehr hohe Preise, doch mit der Euro-Einführung sind sie wieder erschwinglich geworden. Seit 1964 folgten weitere deutsche Geistesgrößen, dann die Flut von fünf 10-DM-Münzen zur Finanzierung der Olympischen Spiele München 1972, die ihren Zweck gut erfüllten, trotz ihrer technischen Mängel. Die mit Beethoven 1970 folgenden Gedenkmünzen zeigen durchweg hohes künstlerisches Niveau bei ganz unterschiedlichen Entwürfen, garantiert durch kritische Auswahlverfahren, deren Ergebnisse inzwischen auf der Webseite der verantwortlichen Bundesbehörde einzusehen sind. Als kulturelles Panorama deutscher Geschichte und Kultur taugen die deutschen Gedenkmünzen allemal, gerade auch nach der Euro-Einführung, die für die Kursmünzen künstlerisch so enttäuschend war. Der Blick hat sich inzwischen auf Europa erweitert: Kafka in Prag und Mozart in Wien.

Deutsche Demokratische Republik
Die DDR begann erst 1966 mit der Ausgabe von Gedenkmünzen zu 5, 10 und 20 Mark (letztere in diversen Silber-Legierungen), die vor allem für den westdeutschen Markt angefertigt wurden, um „Valuta“ ins Land zu bekommen. Rentner, denen der Besuch der BRD gestattet wurde, brachten zwar auch viele Aluminium- und Cu/Ni-Münzen mit, doch wurden die für Sammler nie interessant. Der Einstieg ins Geschäft um die „Valuta“ war der preußische Baumeister und Universalkünstler Friedrich Schinkel. Viele der Anlässe wurden auch von der westlichen BRD oder später von Gesamtdeutschland gefeiert; synchron nur wenige: Wilhelm v. Humboldt, Beethoven, Gutenberg, Dürer, Kant, Albert Schweitzer, der Freiherr vom Stein. Zu den Kuriositäten auf den DDR-Münzen gehören nicht so sehr die Helden des DDR-Sozialismus wie Pieck, Thälmann, Grotewohl, Zetkin, sondern die besondere Reflexion des „kulturellen Erbes“: der Preußen-General Scharnhorst, die Lützowschen Jäger, der patriotische preußische Husarenmajor Ferdinand v. Schill, Ernst Moritz Arndt – eine Feier der Befreiungskriege gegen Napoleon und des deutschen Nationalgefühls, wie es sich die BRD damals nicht gestattet hat. Groß begangen wurde das Lutherjahr 1983 (500. Geburtstag). 5 Mark (J. 1590) zeigt das Geburtshaus in Eisleben, 20 Mark (J. 1591) ein Brustbild. All diese DDR-Gedenkmünzen sind durchaus von künstlerischer Schönheit und hohem technischen Anspruch, denn bei den meisten Portraitmünzen ist die Wertseite (selten variiert, meistens Standard mit Hammer und Sichel im Ährenkranz) flach und die Seite auf den Anlass konkav und von medaillenhafter Plastizität. Dies bedeutet einen hohen Verschleiß der Stempel und eine anspruchsvolle Prägung. Wie sehr sich die Münzen der beiden deutschen Staaten in künstlerisch-ausdeutender Hinsicht, von ihrem geistigen Gehalt, unterscheiden können, zeigen die beiden Versionen des Berlin-Jubiläums von 1987. Die DDR-20-Mark-Münze bildet das schöne, unverletzte Stadtsiegel von 1280 ab, ein Adlerschild umgeben von zwei Bären (J. 1617), das 10-DM-Stück (J. 441) von Reinhart Heinsdorff, dem einfallsreichsten Medailleur der alten Bundesrepublik, lässt die spaltende Berliner Mauer voll durch das Fell des aus Häusern gebildeten Bären gehen; der Bundesadler selbst ist aus Steinen gemauert. Insgesamt findet man bei den BRD-Stücken häufiger ein Prise künstlerischer Widerständigkeit.

Sondergebiet Danzig
Mit dem Versailler Vertrag von 1919 wurde Danzig vom Deutschen Reich abgetrennt, nachdem es mehr als hundert Jahre zu Preußen gehört hatte. Die überwiegend von Deutschen bewohnte Stadt wurde der Ostseehafen der neuerstandenen Republik Polen, sie unterstand als „Freie Stadt“ dem Völkerbund. Mit den Schüssen des deutschen Schulschiffs „Schleswig-Holstein“ auf das polnische Munitionsdepot der Westerplatte an der Hafeneinfahrt am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, dies war das Ende der „Freien Stadt Danzig“. Eine Freie Stadt brauchte auch ihr Freies Geld, doch bis zum Ende der Hyperinflation lief die Mark um und wurde erst 1923 durch eine neue Pfennig/Gulden-Währung ersetzt (1 Gulden = 1/25 Pfund Sterling). Gestützt wurde die Währung durch die Bank of England und durch Gold, von dem einiges in Form von Goldmünzen zu 25 Gulden deponiert war, Goldmünzen, die nicht zum Umlauf bestimmt waren und heute entsprechend selten sind. Danzig leistete sich in der kurzen Zeit des Bestehens drei verschiedene Münzserien: 1923, 1932 und 1935, zuletzt nach einer erheblichen Abwertung des Danziger Gulden. Nach der Vereinnahmung Danzigs durch das Deutsche Reich liefen die Pfennig-Stücke noch im ganzen Reich bis zum 1.11.1940 um. Die Danziger Münzen zeigen trotz der Frakturschrift, die man wohl als Treuebekenntnis zum Deutschtum werten darf, eine moderne künstlerische Gestaltung in den mittelalterlichen Koggen, die auf einigen Münzen auftauchen, in den wichtigsten Gebäuden wie der Marienkirche und dem gotischen Rathaus, sogar im Wappen (zwei übereinander stehende gleichschenklige Kreuze unter einer Krone) und den Wappenhaltern (zwei Löwen). Als separates Sammelgebiet ist die Freie Stadt Danzig teuer für den Geldbeutel und wegen der geringen Zahl der Typen nicht sehr ergiebig, jedoch eine schöne Abrundung für den Sammler der Reichsmünzen.

Sondergebiet Kolonien
Deutsch-Neuguinea: Deutschland kam erst Mitte der 1880er Jahre zu „Kolonien“, Gebieten von deutschen Handelsgesellschaften, über die das Deutsche Reich den militärischen Schutz ausübte. In dem weiten pazifischen Inselreich (heute größtenteils Papua Neuguinea) lief seit 1887 die Reichsmark-Währung um, doch da dieses Geld wieder nach Deutschland zurückfloss, führte die „Neu-Guinea-Compagnie“ eigene Münzen mit den Prägejahren 1894 und 1895 ein. Von 10 Pfennig aufwärts zeigt die Rückseite dieser Münzen einen herrlichen Paradiesvogel, den der Berliner Medailleur Otto Schultz gestaltet hat. Die Goldmünzen zu 10 und 20 Mark wurden sogleich zu Sammelobjekten und waren schon im Jahre 1900 aus dem Zahlungsverkehr verschwunden. All diese Münzen sind gesucht und teuer. Kiautschou: Im Jahre 1898, als die Briten ihre Kronkolonie Hongkong um ein angepachtetes Festlandsterritorium erweiterten, pachtete das Deutsche Reich vom chinesischen Kaiserreich auf 99 Jahre die Hafenstadt Tsingtau mit dem umliegenden Gebiet an der Kiautschou-Bucht, einem vorzüglichen großen Naturhafen im Süden der Halbinsel Schantung (Shandong). In der für den Seehandel bedeutenden Gegend herrschte an den verschiedensten Geldsorten kein Mangel: Kupfer-Käsch für die einfachen Arbeiter, chinesische Silberbarren (Tael) oder mexikanischen Silber-Pesos für den Handel, japanische Yuan, Trade Dollars oder sonstiges europäisches Silbergeld. Zur Erleichterung des Geldwechsels gab die Deutsch-Asiatische Bank, 1889 in Shanghai unter Beteiligung der Deutschen Bank gegründet, seit 1906/07 Banknoten in Dollar (=Peso) und Tael heraus; 1909 folgten 5- und 10-Cent-Cu/Ni-Münzen (J. 729, 730) des Deutschen Reiches, die der große Jugendstil-Medailleur Paul Sturm (Berlin) entworfen und Otto Schultz ausgeführt hatte. Mit Kriegsausbruch wurde das „Deutsch Kiautschou Gebiet“ am 7. November 1914 von den Japanern besetzt. Von der deutschen Handelskolonie blieb nicht viel mehr als eine Reihe schmucker Häuser in Tsingtau und das dort seitdem gebraute Bier. Die schönen Münzen sind gesucht und bringen in guter Erhaltung hohe Preise. Deutsch-Ostafrika: Das größte deutsche Kolonialgebiet in Afrika war „Deutsch-Ostafrika“ (heute Tanzania, Ruanda und Burundi), 1884 von der „Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft“ errichtet und seit 1890 vom Deutschen Reich verwaltet. Die gängigen Münzen dort waren der Maria-Theresia-Taler und die indische Rupie, doch legte die Handelsgesellschaft wert auf eigene Münzen in Rupie und Pesa, die ab 1890 geprägt wurden. Dabei galten 15 Rupien so viel wie 20 Mark. Die silbernen ¼ bis 2 -Rupien-Stücke präsentieren Kaiser Wilhelm II. in der Kürassieruniform des Garde du Corps, das hehre Haupt bekrönt vom Adlerhelm. Man wüsste gern, wie dieser Aufzug von den arabischen Händlern am Indischen Ozean kommentiert wurde. Von den 1-Rupien-Stücken wurden wohl insgesamt mehr als 2 Millionen geprägt, das 2-Rupien-Stück ist viel seltener. Seit 1904 übernahm das Deutsche Reich die Prägung. Die Silbermünzen waren weiterhin Rupien mit der Kaiserbüste, doch das Kupfergeld hieß plötzlich „Heller“. Deutsch-Ostafrika war die einzige deutsche Kolonie, die den Ersten Weltkrieg durchhielt und erst 1918 die Waffen streckte, doch war die Verbindung zum Reich früh abgeschnitten. Deshalb wurde in der Verwaltungsstadt Tabora unweit der reichen Goldminen 1916 Notgeld ausgegeben, die etwas groben variantenreichen 5 und 20-Heller-Münzen mit dem Münzzeichen „T“ und die 15-Rupien-Stücke in Gold (J. 728) mit dem trompetenden Elephanten, die bei den Sammlern beliebt sind und sehr teuer. Es war Notgeld besonderer Art, wie man es nie wieder in Deutschland gesehen hat: Die Kolonie hatte kein Silber, doch viel Gold und musste damit vorlieb nehmen, die Arbeiter in Gold zu bezahlen. Die Legierung der 15-Rupien enthält 750 Teile Gold und 150-200 Teile Silber, letztere konnte man damals unter den einfachen Bedingungen in Tabora nicht herausscheiden, und so sprechen diese Notmünzen all der über Jahrhunderte entwickelten Münz- und Scheidetechnik Hohn. Die extrem groben Stempelschnitte eines singhalesischen Goldarbeiters, der besonders gut unter Alkohol arbeitete, sind jedoch von eigenem Reiz und heben sich damit deutlich vom Paradiesvogel des kultivierten Berliner Medailleurs Otto Schultz ab.