Erhaltungsgrade von Münzen

Aus MGM Münzlexikon

Erhaltungen von Münzen zu bestimmen ist eine Wissenschaft für sich. Auch der Fachmann – Numismatiker oder Händler – braucht Jahre der Erfahrung, um die Erhaltungen von Münzen aller Art konsistent und zutreffend bestimmen zu können. An dieser Stelle deshalb nur ein paar Richtmarken.

Der Wert von Münzen hing immer von ihrer guten Erhaltung ab. Waren Münzen, die ihren Wert durch die Menge des Edelmetalls erhielten, abgenutzt, wurden sie unterwertig. Auch Sammler haben sich immer bemüht, stets nur bestens erhaltene Münzen zu erwerben. Für deren Bewertung hat in Deutschland der Sammler und Numismatiker Kurt Jaeger (1909-1975) Maßstäbe gesetzt, dessen Standardwerk „Die deutschen Münzen seit 1871“ inzwischen in der 26. Auflage (2019) erschienen ist, insgesamt in einer Millionenauflage. Jaeger ging von vier Grundkategorien aus:


borderless

Stempelglanz (Stgl.): Die Münze zeigt den Prägeglanz einer ungebrauchten Münze, ist frei von allen Abnutzungen bei scharfem Gepräge und frei von jeglichen mit bloßem Auge erkennbaren Verletzungen wie groben und feinen Kratzern.





borderless

Vorzüglich (vz): Die Münze darf leichte Beschädigungen (Kratzer) im Feld aufweisen, das Relief muss jedoch scharf und nicht abgenutzt sein.





borderless

Sehr schön (ss): Die Münze darf nicht nur im Feld Beschädigungen aufweisen, sondern auch im Relief leichte Abnutzungsspuren. Das Relief soll allerdings nicht wesentlich beeinträchtigt sein.





borderless

Schön (s): Bei diesem Erhaltungsgrad liegen deutliche Abnutzungsspuren in Relief und Schrift vor. Das Motiv (Portrait, Wappen, Nominal) muss jedoch erkennbar sein.





Polierte Platte der 10 DM-Gedenkmünze 1994 "Johann Gottfried Herder", Jaeger 458

Eine eigene Zustandsbeschreibung bei Jaeger ist die „Polierte Platte“ (PP). Eine solche Münze fällt durch ein hellglänzendes Relief und ein schwarzglänzendes Feld auf; sie ist völlig frei von Beschädigungen und Kratzern. Es handelt sich um eine Sonderanfertigung für Sammler, die erst im 19. Jahrhundert aufkam und heute noch für Gedenkmünzen in Deutschland und vielen anderen Ländern verwendet wird. Zu diesem Zweck wurden nicht nur die Prägestempel poliert, sondern auch die ungeprägten Münzen-“Platten“ (Rohlinge, Schrötlinge), wodurch der schwarze Glanz des Feldes zustande kommt. Solcherart geprägte Münzen werden „handgehoben“ aus dem Prägewerk entnommen, was den absolut perfekten Zustand garantieren soll. Neben der „Polierten Platte“ kommen gelegentlich weitere Kategorien für völlig einwandfreie Münzen vor: Spiegelglanz und Erstabschlag. Münzen, die „prägefrisch, bankfrisch, unzirkuliert“ sind, haben „Stempelglanz“, jedoch leichte Spuren des Herstellungsverfahrens bei automatisierter Münzprägung: Die in großer Geschwindigkeit aus dem Prägewerk geworfenen Münzen purzeln in Kisten und stoßen dabei unsanft aufeinander.


Gelegentlich anzutreffende Erhaltungsgrade wie die Euphemismen „sehr gut erhalten“ oder „gut erhalten“ sind bei modernen Münzen nicht sammlungswürdig und werden nur bei numismatischen Raritäten in Kauf genommen. Zu den Jaegerschen Grundkategorien sind allerdings in den vergangenen Jahrzehnten weitere aus der Handelspraktik erwachsene „Verfeinerungen“ gekommen: Zwischenstufen wie „vorzüglich-Stempelglanz“, „vorzüglich+“, „fast vorzüglich“ u.s.w. Der Sammler weiß in der Regel mit diesen Feinjustierungen umzugehen, für den Verkäufer von Münzen sind sie wenig erheblich.

Die hier vorgestellten Erhaltungsgrade sind für Mitteleuropa maßgeblich geworden; bei unseren Nachbarn gibt es ähnliche Systeme mit leichten Verschiebungen (z.B. „très beau = schön). Von anderem Zuschnitt ist das US-amerikanische System der 70-stufigen Sheldon-Skala, das man auf den in Kunststoff-Haltern verkauften, zertifizierten Münzen des PCGS (Professional Coin Grading Service; https://www.pcgseurope.com/standards?l=de) und der NGC (Numismatic Guaranty Corporation; https://www.ngccoin.de/coin-grading/grading-scale/) findet. Hier kommen zu den verbreiteten Kategorien von Proof (PF) = PP, Mint state (MS) = Stempelglanz, Extremely fine (EF), und Very fine (VF) fein justierende Zahlen hinzu. Dieses System von Erhaltungsgraden wurde vor allem für den US-amerikanischen Markt entwickelt, da das nordamerikanische Münzwesen über die Jahrhunderte von großer Konstanz und von Armut an Münztypen bestimmt ist. Umso nachdrücklicher wurde die Beachtung von feinsten Differenzierungen der Stempelqualitäten und von Erhaltungsgraden betrieben; dies wurde auch auf ähnliche Sammelgebiete übertragen.